Viele junge Somalis fallen auf inszenierte Bilder vom vermeintlich paradiesischen Leben in Europa herein.
Wenn ich durch Social Media scrolle, sehe ich oft Fotos, auf denen junge Somalis in Europa vor einem schönen Haus posieren. Nach dem Motto: „Schaut her, so gut lebe ich hier!“ Das macht mich traurig und wütend, denn in den meisten Fällen sind das Inszenierungen. Die jungen Menschen fotografieren sich vor den Häusern Fremder …
Es ist ein Teufelskreis: Die Sozialen Medien haben in Somalia vielen Jugendlichen Europa näher gebracht – als Sehnsuchtsort. Sie sehen da genau diese Bilder vom vermeintlichen Wohlstand für alle. Das machen sich Menschenhändler:innen zunutze: Sie versprechen den Jungen, sie herzubringen, ins „Paradies“, und viele machen sich dann tatsächlich mit ihnen auf den Weg.
Oftmals heimlich, weil es die Eltern verbieten würden. Denn wer auf diese Versprechung hereinfällt, riskiert viel: Manche sterben in der Sahara, andere in Libyen. Überlebende werden vor den Toren Europas zum Faustpfand: Die Schlepper:innen fordern bei den Eltern Geld ein für die Fahrt übers Meer. Wer nicht zahlt, sieht auf Videos, wie sein oder ihr Kind gefoltert oder gar umgebracht wird.
Diejenigen, die mithilfe der Zahlungen ihrer Eltern schließlich nach Europa kommen, stehen dann wiederum unter Druck, genug Geld zu verdienen, um etwas davon an die Familie in Somalia schicken zu können …
Als ich mich auf den Weg gemacht habe, war mir klar, dass das Leben als Migrantin in Wien nicht leicht sein würde. Aber ich wollte lieber auswandern, als in Somalia im Bürgerkrieg erschossen zu werden und meine Kinder zu Waisen werden zu lassen.
Ich ließ meine kleinen Kinder bei Angehörigen zurück. Nach einer langen, beschwerlichen und teuren Reise per Flugzeug, per Boot, zu Fuß und per Taxi war ich mir aber auch nicht mehr so sicher, ob meine Entscheidung richtig gewesen war.
Tatsächlich sollten drei Jahre vergehen, bis ich erkannte, dass es das alles wert war. Nämlich an dem Tag, an dem ich meine Kinder am Flughafen Schwechat in die Arme schließen konnte. Seither haben sie wieder eine Mutter und wir leben nicht im Paradies, aber auch nicht in der Hölle, sondern in Wien.
Hamdi Hassan ist freie Journalistin sowie Dolmetscherin/Übersetzerin bei verschiedenen Organisationen. Sie kommt aus Somalia und lebt seit acht Jahren in Österreich.
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